Schutzkonzeptentwicklung am Evangelischen Mörike

Hintergrund

Am Evangelischen Mörike hat ein Arbeitskreis im Schuljahr 2019/20 damit begonnen, ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt zu entwickeln.

Insbesondere nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsskandale in Einrichtungen und Institutionen ist klar geworden, wie wichtig die Auseinandersetzung in diesem Bereich ist. Alle Schulen, Kitas, Kirchengemeinden, Internate, Sportvereine, stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe, Krankenhäuser und andere Institutionen sind aufgefordert worden, ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt zu entwickeln. Es sollen in allen Institutionen Bedingungen geschaffen werden, die das Risiko senken, dass sie zum Tatort von sexualisierter Gewalt werden. Zudem sollen Mädchen und Jungen jederzeit kompetente Ansprechpersonen finden, wenn ihnen sexuelle Gewalt angetan wird. Auch das Evangelische Mörike sieht sich in der besonderen Verantwortung, ein solches institutionelles Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt vorzulegen.

Zielsetzung

Alle Schutzbefohlenen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich an unserer Schule sicher und geschützt fühlen. Wir dulden daher keine Form der sexualisierten Gewalt und verstehen es als Gemeinschaftsaufgabe, ein Schutzkonzept zu erstellen und niederzuschreiben. Der beste Schutz vor sexualisierter Gewalt ist

  • Information und sachliche Aufklärung
  • umfangreiche Sensibilisierung
  • Entwicklung einer klaren Haltung
  • Etablierung einer wertschätzenden und grenzwahrenden Umgangskultur
  • die Durchführung von Präventionsmaßnahmen

Ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt beantwortet die zentralen Fragen: „Wie kann sexualisierter Gewalt vorgebeugt werden?“ und „Was ist bei sexualisierter Gewalt zu tun?“

Allgemein sind Schutzkonzepte demnach Handlungspläne/Orientierungshilfen zur Prävention und Intervention. Sie sind bedeutende Themen der Schulentwicklung. Ein Schutzkonzept verpflichtet alle am Schulleben Beteiligten, unangemessenes Verhalten anzusprechen, zu melden und zu verändern, sowie Maßnahmen der Prävention, also schützende Strukturen, zu entwickeln. Schule wird so zu einem Schutz- und Kompetenzort.

 

Partizipation

Damit dies gelingt, ist es wichtig, viele Mitglieder der Schulgemeinschaft zu motivieren, sich aktiv an diesem längerfristigen Schulentwicklungsprozess zu beteiligen und ihre jeweils spezifische Perspektive dabei einzubringen.

Dazu hat sich eine Fortbildungsgruppe zusammengefunden, die im Kern aus derzeit ca. 23 Vertreter:innen verschiedener Gremien und Fachbereiche der Schule besteht (Schulleitung, Lehrer:innen, Eltern, Verwaltung, Schulträger, Hort, Schülerhaus. Auch Schüler:innen werden immer wieder beteiligt sein).

Ablauf und Inhalte der Schutzkonzeptentwicklung

Unseren Prozess der Schutzkonzeptentwicklung begleitet die Fachberatungsstelle KOBRA (Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, Stuttgart).

Die Schutzkonzeptentwicklung hat einen projektartigen Charakter und erstreckt sich über einen Zeitraum von 18 Monaten (Oktober 2021 bis April 2023).

Die Fortbildungsgruppe wird über diesen Zeitraum hinweg in verschiedenen Modulen durch Kobra fortgebildet und trägt das erworbene Wissen immer wieder in die Schulgemeinschaft hinein. Themen der Fortbildungsmodule sind Begriffsdefinitionen, Statistiken und Studien, Täterstrategien, Risiko- und Potenzialanalyse, Verhaltenskodex, Beschwerdemanagement, Handlungspläne, Kinderschutz und Präventionsmaßnahmen.

Zwischen den Fortbildungsmodulen gibt es immer wieder sogenannte „Transferaufgaben“. Sie dienen der Vertiefung von Themen aus den Modulen und der breiteren Information und Aufklärung der verschiedenen Zielgruppen unserer Schulgemeinschaft. Dadurch ist größtmögliche Transparenz gegeben.

Insbesondere die sogenannten Risikoanalyse wird eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung sein. Dabei geht es um das Aufspüren spezifischer Risikofaktoren an unserer Schule (u.a. bauliche Bedingungen, aufsichtsfreie Räume, Umgang mit grenzverletzendem Verhalten, Personalverantwortung).

Am Ende der ganzen Fortbildungsreihe steht die Verschriftlichung und Veröffentlichung des Schutzkonzepts.

Die folgende Übersicht veranschaulicht noch einmal den gesamten Ablaufplan:

Informationen zur Vertiefung rund um das Thema finden sich unter folgenden Adressen/Links:

 

  • EKD/Arbeitskreis Evangelische Schule: Strategien zur Prävention sexualisierter Gewalt. Arbeitshilfe Institutionelles Schutzkonzept an Schulen in evangelischer Trägerschaft

https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/praevention_sexualisierte_gewalt_an_schulen_2020.pdf

           

  • Zentrales Portal der Bundesregierung zum Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

https://beauftragter-missbrauch.de

 

  • Umfangreiches Informationsmaterial/pädagogisches Material bietet auch Zartbitter e.V. – eine der ältesten Kontakt- und Informationsstellen gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen mit Sitz in Köln. zartbitter.de

Viertes und fünftes Modul: Themen Kinderschutz, Prävention, Beschwerdemanagement und Arbeit am Interventionsplan sowie dem Verhaltenskodex

Auch in den Modulen 4 und 5 der Schutzkonzeptentwicklung konnten viele verschiedene Vertreter:innen der schulischen Gemeinschaft teilnehmen, mitwirken und ihre Gedanken und Ideen einbringen.  

Im Mittelpunkt des vierten Moduls stand das Thema „Kinderschutz“. Zu Beginn der Veranstaltung wurden die Ergebnisse der Risiko- und Potenzialanalyse vorgestellt, die innerhalb der Schule mit den Klassen 8-12 durchgeführt wurde. Daraus ging deutlich hervor, welche Gefahren, aber auch welche bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen von Schüler:innen in ihrem Alltag wahrgenommen werden. In einem weiteren Schritt wurde die Fortbildungsgruppe gebeten, einen Verhaltenskodex, welcher von der Steuergruppe als Vorlage entwickelt wurde, in Gruppen zu diskutieren und Änderungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Der Verhaltenskodex soll allen am Schulleben Beteiligten als Handlungs- und Orientierungsrahmen für einen grenzachtenden und schützenden Umgang im Miteinander dienen. Umso wichtiger erscheint es, diesen unter Beteiligung aller Vetreter:innen gemeinsam zu entwickeln und ihre unterschiedlichen Perspektiven zu berücksichtigen.  

Im Anschluss daran wurde der theoretische Hintergrund (insbesondere der juristische Rahmen) zum Thema „Kinderschutz“ näher beleuchtet. Außerdem wurden unterschiedliche Arten von Grenzüberschreitungen vorgestellt und diskutiert. Einen Schwerpunkt bildeten dabei Grenzüberschreitungen im digitalen Raum, welche Studienergebnissen zu Folge zugenommen haben. Als Herausforderung wurde innerhalb der Fortbildungsgruppe die Schwierigkeit benannt, unklare Fälle von Grenzüberschreitungen zu erkennen, und die Wichtigkeit betont, Schutzbefohlene für solche zu sensibilisieren und eine Kultur des Vertrauens zu schaffen.  

Im fünften Modul ging es schwerpunktmäßig um den Umgang mit Grenzüberschreitungen und deren Prävention. Den Auftakt bildete die Arbeit am Interventionsplan, einem Verfahrensablauf bei Verdachtsfällen bzw. konkreten Fällen von sexualisierter Gewalt. In Kleingruppen wurden unterschiedliche Fallkonstellationen diskutiert und mögliche Szenarien der Vorgehensweise erstellt. Teil des Interventionsplans ist auch der Umgang mit Beschuldigten und Betroffenen, dessen Herausforderungen im Anschluss thematisiert wurden.  

Im Gegensatz zur Intervention wird durch gezielte Prävention intendiert, Grenzüberschreitungen zu verhindern. Gemeinsam wurden daher mit der Fortbildungsgruppe inhaltliche Themen der Prävention besprochen, durch welche die Kinder und Jugendlichen darin bestärkt werden sollen, eine grenzwahrende Haltung auszubilden. Den Abschluss des fünften Moduls bildete eine fundierte Auseinandersetzung mit unserem schuleigenen Beschwerdemanagement.

Zweites Modul: Risiko- und Potenzialanalyse

Im Mittelpunkt des zweiten Moduls, das am 12.04.2022 stattfand, standen die Risiko – und Potenzialanalyse unserer Einrichtung. Dabei wurden alle Bereiche unserer Einrichtung (wie zum Beispiel Räumlichkeiten, Personalverantwortung, Konzepte, aber auch der Umgang mit Medien) einer genauen Untersuchung unterzogen.

Nachdem sich im ersten Modul herauskristallisiert hatte, dass die Schutzkonzeptentwicklung stärker als partizipativer Prozess angelegt werden sollte, wurden in das halbtägige Modul erstmals Schüler:innen, aber auch Vertreter: innen der Elternschaft und des Trägers eingebunden. In arbeitsteiligen Gruppen wurde zum einen eruiert, welche Schutzmaßnahmen, Haltungen, Strukturen und Konzepte bereits in einzelnen Bereichen der Einrichtung verankert sind (Potentiale). Zum anderen sollten die „unsicheren Stellen“ (Risiken) identifiziert werden, wobei sich vor allem die Perspektive der Schüler:innen als hilfreich erwies.

Aus den analysierten Potenzialen und Risiken wurden schließlich konkrete Wünsche und Maßnahmen abgeleitet, die kurz- und langfristig im weiteren Prozess der Schutzkonzeptentwicklung ihre Umsetzung erfahren sollen.

Außerdem befasste sich eine Gruppe von Schüler:innen intensiv mit einem Fragebogen für Schüler:innen, der im Vorfeld von der Steuergruppe zur Erhebung von Risiken entwickelt worden war. Der Fragebogen wurde nach Überarbeitung einiger Formulierungen für die Klassen 8 bis 12 gestartet. Die Teilnahme der Schüler:innen erfolgt auf freiwilliger und anonymer Basis.

Erstes Modul: Grundlagen

Den Auftakt der Fortbildungsreihe zur Schutzkonzeptentwicklung am Evangelischen Mörike bildete das erste Modul, das am 23.11.2021 in einer ganztägigen Veranstaltung stattgefunden hat. Ziele des ersten Moduls waren es, die Fortbildungsgruppe zu sensibilisieren und gemeinsame Wissensgrundlage zu schaffen. Nach einer ersten Begriffsbestimmung sollte die Fortbildungsgruppe zunächst vorgegebene Situationen einschätzen und bewerten. Dies diente als Grundlage für einen Abgleich mit dem juristischen Rahmen. Anhand der Ergebnisse aktueller Studien wurden anschließend die Dimensionen sexualisierter Gewalt aufgezeigt (auch durch Jugendliche an Jugendlichen). Einen weiteren Schwerpunkt des Moduls bildeten Strategien und Verhaltensmuster von Täter:innen, die am Beispiel eines Kinobesuchs erarbeitet wurden. Auch Formen von sexualisierter Gewalt über digitale Medien wurden besprochen. In diesem Zusammenhang wurde auch thematisiert, wie sich Institutionen -wie unsere Schule- vor potentiellen Täter:innen schützen können. Die Entwicklung eines Schutzkonzepts wurde dabei deutlich als Qualitätsmerkmal herausgestellt. Den Abschluss des Moduls bildete ein Überblick bei den Kinderschutz sowie die Bedeutung einer insofern erfahrenen Fachkraft (ieF).

Das zweite Modul ist der Risiko- und Potentialanalyse gewidmet. Die Fortbildungsgruppe hat als Vorbereitung die Aufgabe erhalten, mit der „Brille des Schutzkonzeptes“ den Schulalltag zu betrachten und mögliche Risiken, die Gelegenheitsstrukturen und Gefahrenpotenziale bieten, aber auch Potenziale, die bereits präventive Strukturen enthalten, ausfindig zu machen.

Das erste Modul wurde außerdem evaluiert, die Ergebnisse wurden mit der Beratungsstelle reflektiert und dokumentiert.

Vorstellung der Beratungsstelle KOBRA e.V.

KOBRA ist seit über 30 Jahren spezialisierte Fachberatungsstelle in Stuttgart. Wir beraten Kinder und Jugendliche, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, deren Bezugspersonen sowie Fachkräfte und Ehrenamtliche, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Kinder und Jugendliche stehen bei uns im Mittelpunkt – wir beraten parteilich. Unsere Angebote sind kostenfrei, die Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht und beraten auch anonym. KOBRA richtet sich grundsätzlich an junge Menschen mit und ohne Behinderung. Mit uns kann über das Thema sexualisierte Gewalt offen gesprochen werden.

Sechs Berater*innen mit unterschiedlichen Qualifikationen und spezifischen Weiterbildungen bieten Beratung, Stabilisierung und Begleitung für Kinder und Jugendlichen mit sexualisierten Gewalterfahrungen sowie deren Bezugspersonen an.

Wer kann sich an KOBRA wenden?

  • Kinder und Jugendliche, die sexualisierte Gewalt erlebt oder beobachtet haben.
  • Kinder und Jugendliche, denen andere Personen von Erfahrungen sexualisierter Gewalt berichtet haben.
  • Eltern und Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder die Vermutung auf sexualisierte Gewalt besteht.
  • Jugendliche, die sich selbst sexualisiert übergriffig verhalten haben und deren Erziehungspersonen.
  • Fachkräfte aus den Bereichen Schule, Kindertagesstätten, Institutionen der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe, Einrichtungsleitungen im Bereich Erziehung und Pflege, Fachkräfte in Ausbildung.
  • Ehrenamtliche, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
  • Und natürlich alle, die Fragen in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt haben.

Neu bei KOBRA – Onlineberatung

Die Onlineberatung bei KOBRA e.V. richtet sich an Kinder und Jugendliche, die aktuell sexualisierte Gewalt erleben und/oder in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt erlebt haben. Auch Kinder und Jugendliche, die nicht direkt von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sondern Betroffene kennen können sich über die Onlineberatung informieren und sich Unterstützung holen. Sie ist für alle Klient*innen kostenfrei und barrierefrei. Kinder und Jugendliche können sich im Rahmen der Onlineberatung von KOBRA in einem geschützten Chatraum zu den Themen Sexualität, Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt beraten lassen. Kontakt zu Onlineberatung ist über die Homepage der Beratungsstelle möglich: www.kobra-ev.de

Kontakt                                 

Sprechzeiten (in Ferien eventuell abweichend):

Mo, Di, Do:             09:00 – 17:00 Uhr

Mi:                          14-17 Uhr

Termine außerhalb dieser Zeiten nach Vereinbarung.

KOBRA

Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen
Hölderlinstr. 20, 70174 Stuttgart

Telefon: 0711/16297-0                                                              

E-Mail: beratungsstelle@kobra-ev.de

Sie wollen dem Projektteam Feedback zum Thema geben? 

Senden Sie eine E-Mail an schutzkonzept@das-moerike.de 

Danke für Ihre Anregungen und Rückmeldungen!