Ein Bericht von Schülerinnen und Schülern der 10aG

Brief an die Bundestagsabgeordneten


Ein Bericht von der Klasse 10aG über Kontakt mit Bundestagsabgeordneten im Unterricht in Zeiten von Corona.
Dieses Schuljahr haben wir im Gemeinschaftskundeunterricht das Thema Wirtschaftswachstum behandelt und keinen anderen Mechanismus gefunden, Wirtschaftswachstum ohne steigenden Konsum zu erzielen. Unserer Meinung nach ist das nicht nachhaltig. Deswegen haben wir als Klasse einen Brief formuliert und uns gleich an die Politiker:innen, die Expert:innen gewandt, die dafür doch eine Lösung finden müssten.


Onlinemeeting mit Herrn Dr. Kaufmann (CDU)


Auf unseren Brief hin haben wir eine sehr nette und hilfreiche Antwort von unserem Direktabgeordnetem im Bundestag, Herrn Dr. Kaufmann, bekommen. Darin wurden wir als Klasse zu einem Interview mit ihm eingeladen, um ihm unsere Fragen persönlich zu stellen. In Zeiten von Corona fand das natürlich alles digital statt.

Kern des Interviews war folgendes Zitat aus dem Regierungsprogramm der CDU: „Unser Wohlstand und unsere Lebensqualität hängen wesentlich vom stetigen und nachhaltigen Wachstum unserer Wirtschaft ab. Sie muss international wettbewerbsfähig bleiben, ihre Fähigkeit zur Innovation ausbauen und ausreichend neue Arbeitsplätze schaffen. Auch und gerade im digitalen Zeitalter und im Zeitalter der Globalisierung.“
Seine Antwort beinhaltete, dass man “Wachstum“ brauche. Wachstum und Konsum seien zwar nicht identisch, allerdings würden sie miteinander zusammenhängen. Aus seiner Sicht könne der Konsum allerdings nicht durch Verbote eingeschränkt werden. Und wenn man neuen Ideen zu schnell umsetze, entstünden in zu kurzer Zeit auch viele Veränderungen mit unabsehbaren Folgen. Hierbei nannte er beispielsweise den Verlust von tausenden Arbeitsplätzen.

Nachhaltigkeit, für die er sich in Form der Wasserstoffstrategie stark einsetze, sei ihm dabei persönlich sehr wichtig. So bräuchte es Veränderungen in der Wirtschaft, auf die sich die Gesellschaft vorbereiten müsse.

Nach dem Interview hatten wir aber das Gefühl, dass Herr Dr. Kaufmann teilweise nicht konkret auf unsere Fragen einging und eher unverbindlich antwortete. Trotzdem war es interessant seine Sichtweise kennenzulernen. Er bot uns außerdem nochmal ein Gespräch an, das wir gerne angenommen haben.

Gespräch mit Frau Christmann/Besuch im Bundestag


Ein weiteres Highlight war, dass Frau Christmann von den Grünen uns antwortete. Am Montag, den 22.03.2021, waren wir von ihr zu einer Onlineführung im Bundestag eingeladen. Während der Onlineführung wurden uns exklusive Einblicke in den deutschen Bundestag gewährt, unter anderem konnten wir den Plenarsaal und Mauerstücke des ursprünglichen Bundestags sehen.

Nach der Führung hatten wir die Möglichkeit Fragen an Frau Christmann zu stellen. Dabei erzählte sie uns, dass sie sich im Namen der Grünen für eine neue Art, das Wirtschaftswachstum zu messen, einsetze. Die Grünen hätten dazu einen eigenen Maßstab, den “Wohlstandsbericht”, entwickelt, der über das BIP hinausgehe. Dieser beziehe soziale und ökologische Faktoren mit ein. Auch die traditionelle Wachstumsökonomie wurde von ihr kritisiert: sie setze sich für eine “Postwachstumsökonomie” ein – einem Konzept, das ohne Wachstum mit stabilem, aber reduzierten Konsumniveau funktioniere. Ihr sei zudem wichtig zu vermeiden, dass die großen Probleme über Generationen getragen werden. Außerdem möchte sie die Einhaltung der Klimaziele sichern. Hier sei ein globaler Budget-Ansatz notwendig, der aufzeige, wie viele Treibhausgasemissionen weltweit noch ausgestoßen werden dürften, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

Besuch von Herrn Kaufmann am 19.07.21


Am 19.07. hatten wir Besuch von Herrn Kaufmann (CDU), im Zuge dessen wir ein aufschlussreiches Interview führen konnten. Zunächst stellten wir ihm Fragen über seinen Abgeordnetentätigkeit. Dabei berichtete er, dass er in der letzten Woche 200 Gesetze in zwei Tagen verabschiedet habe. Auf unsere kritische Frage, ob er sich mit allen genau beschäftigen würde, antwortete er, dass er nur wichtigsten habe lesen können.
Alle Abgeordnete hätten einen durchstrukturierter Wochenablauf, mit festen Tagen für Fraktionssitzung, Plenarsitzung und Ausschusssitzungen. Seine normalen Arbeitszeiten würden meist mit Frühstücken um 7.30 Uhr bei Interessensvertretern (unserer Meinung nach eine nette Umschreibung für Lobbyismus 😉) beginnen und dauerten bis 24 Uhr. Ein so hohes Arbeitspensum hat uns schon überrascht.
Auch wenn er die AfD kritisch sehe, seien Ausschlüsse der AfD für die Ämter des Bundestagsvizepräsidenten und des Alterspräsidenten (wie sie in dieser Legislaturperiode geschehen sind) seiner Ansicht nach falsch gewesen. Hier müsse es ein anderes Verfahren geben, dass allen gleiche Chancen ermögliche. Er begründete es mit “gleichem Recht für alle”.
Für die kommende Legislaturperiode sprach er sich interessanterweise schon jetzt für eine schwarz-grüne Koalition aus. Er könne sich vorstellen, dass es zu einer Koalition mit den Grünen kommen könne.
Bei der inhaltlichen Diskussion ist uns besonders die Widersprüchlichkeit seiner Äußerungen zum Parteiprogramm der CDU aufgefallen. Das Parteiprogramm spricht von Stärkung der Kreislaufwirtschaft sowie davon, dass Deutschland vom Energieimport unabhängig werden müsse. Er hingegen meinte, dass dies unrealistisch sei und plädierte für weiteren Import aus dem Ausland. Beispielsweise solle der Wasserstoff der Zukunft aus Australien oder Chile importiert werden. Deutschland könne unmöglich energieunabhängig vom Ausland werden. Wasserstoff sei die Zukunft, denn es wäre transportabel, speicherbar und vielfältig verwendbar. Grauer und Blauer Wasserstoff seien nur Übergangslösungen – Grüner Wasserstoff sei das Ziel.
Für ein emissionsfreies Deutschland sprach er sich gegen Verbote aus. Aus seiner Sicht sollten nur Anreize gesetzt werden. Dass wir unseren Lebensstil nicht verändern müssen, klingt unserer Meinung nach wenig plausibel.
Abschließend möchten wir nochmal ganz herzlich danken, dass Herr Kaufmann sich die Zeit genommen hat, sich erneut mit unseren Fragen auseinanderzusetzen. Es war ein spannendes Interview.


Gedanken zum Schluss


Obwohl wir uns mit vielen Meinungen und Denkansätzen beschäftigt haben, sind wir nicht zu einer richtigen Lösung des Problems gekommen, wie nachhaltiges Wachstum ohne steigenden Konsum geschaffen werden kann. Das hat gezeigt, dass das Thema sehr komplex ist und auch zukünftig wichtig sein wird.
Auf unseren Brief hin haben wir auch Antworten von Politiker:innen des gesamten Parteienspektrums bekommen. Eine Strategie, die von vielen Politiker:innen genannt und auch verfolgt wurde, war, dass das Wachstum fast vollständig nachhaltig werden solle. Eine Infragestellung des Wachstums per se jedoch war nicht im Fokus.
Insgesamt empfanden wir die Gespräche als sehr bereichernd, auch wenn das meiste nur online stattfinden konnte. Es hat uns aber ermöglicht, schnell mal nach Berlin zu reisen und dort z.B. Interviews mit den Bundespolitikern zu führen oder eine Führung durch den Bundestag zu bekommen. Nach den anregenden Gesprächen und dem Interview mit Herrn Kaufmann wird uns dieses Thema noch häufig beschäftigen.

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